Rückblick: Leben im gemeinschaftlichen Projekt
Intensive Einblicke in unterschiedliche Wohnprojekte und deren Gepflogenheiten bekamen die rund 50 Gäste im PlanTreff am Mittwoch, den 13.11.2024. Gleich sechs Menschen aus verschiedenen gemeinschaftlichen Wohnprojekten plauderten aus dem Nähkästchen, wie es bei ihnen abläuft.
Eva Kreling, Nicole Manz, Martina Kallasch, Florian Lintzmeyer wohnen in einer Genossenschaftswohnung, Brigitte Seidl wohnt in einer Baugemeinschaft, Alfred Bergmiller mit seiner Mietgemeinschaft ALIA bei einer „alten“ Genossenschaft. Die unterschiedlichen Projektformen machen sich vor allen Dingen bemerkbar in der Zusammensetzung der Menschen des Projekts, in der Einflussnahme auf die Planung des Hauses, weniger deutlich wurden sie jedoch im späteren Zusammenleben.
Einfluss auf die Planung
So berichtete Brigitte Seidl vom Planen und Bestimmen jeder Steckdose in der Baugemeinschaft. Hier geht die Wohnung in Einzeleigentum über. In ihrem Projekt wohnen ausschließlich junge Familien in 39 ungefähr gleich großen Wohnungen. Ganz unterschiedlich große Wohnungen gibt es in den Genossenschaftshäusern. Hier ist die Altersstruktur der Bewohnerschaft breiter gefächert und die Größe der Haushalte variiert. Der Maßstab ist mit bis zu 100 Wohnungen größer. Aber auch hier war eine gewisse Einflussnahme auf die Planung der Häuser möglich.
Nicole Manz berichtet, dass die künftigen Bewohner:innen ihres Projektes gemeinsam entschieden, dass sie den wahrscheinlichen Lebensmittelpunkt zum Hof haben möchten und nahmen im Grundriss Einfluss auf die Position der Küche. Die Beteiligung an der Planung sehen alle Teilnehmer:innen als Gewinn, eine Phase in der man als Gemeinschaft zusammenwächst. Eva Kreling ist in dieser Phase auch ihrer Doppelrolle bewusst geworden: als Bewohnerin mit persönlichen Wünschen aber auch als verantwortungsvolle Miteigentümerin der Genossenschaft.
Gemeinschaft Leben und selbst verwalten
Wenig Einfluss auf die Planung hatte die Gruppe von Alfred Bergmiller. “In einer Altgenossenschaft waren die es nicht gewohnt, dass die Menschen partizipieren möchten“, so Bergmiller. Dusche oder Badewanne, dies war die einzige Entscheidung, die er selbst getroffen habe für seine Wohnung. Das gemeinschaftliche Leben schildert er aber umso lebendiger. Denn hier liegt der Fokus der Gruppe „Anders Leben im Alter“ (ALIA). Sie wollten ein Modell schaffen, wo sie möglichst lang selbstständig wohnen und auch gemeinsam verhindern, im Alter zu vereinsamen. Mit Kochabenden einmal in der Woche, gemeinsamen politischen Diskussionen und Filmabenden hat diese Gruppe ein reges Gemeinschaftsleben etabliert.
Im Unterhalt der Häuser wird die Selbstorganisation der Bewohner:innen deutlich. Viele Häuser haben keine extern beauftragten Servicefirmen, die mehr als die Treppenhausreinigung übernehmen. Somit gibt es zahlreiche Arbeitsgruppen, in denen sich jeder nach Lust und Laune einbringen darf. Bei all der Arbeit kommt aber auch das Vergnügen nicht zu kurz und auch das will organisiert sein. So bringt sich Brigitte Seidl in der AG-Feste ein. Martina Kallasch berichtet von 1-2 Stunden, die jede Person ab 18 Jahren in ihrer Genossenschaft für das Haus im Monat investieren soll. Viele empfinden die Tätigkeiten jedoch nicht als Arbeit, da es Dinge sind, die sie gerne machen und dazu in netter Gesellschaft.
Nahezu alle Teilnehmer:innen sprechen von drei Gruppen des Engagements in ihrem Haus, die es ungefähr zu gleichen Teilen gibt: Diejenigen die sich sehr stark engagieren, diejenigen die sich mittelmäßig engagieren und diejenigen, die sich gar nicht engagieren. Doch auch für diese Menschen gibt es in der Runde Verständnis. Denn es befinden sich Menschen in Lebensphasen, in denen sie nicht mehr leisten können als ihr eigenes Leben zu bewerkstelligen. Natürlich birgt die Selbstorganisation auch Konfliktpotential und dies beschäftigt auch die Zuhöher:innen.
Martina Kallasch antwortet darauf sehr pragmatisch: „Wenn mich jemand fragt, ‘habt ihr keine Konflikte?’, dann antworte ich immer, dass es in Mietshäusern auch welche gäbe. Wir haben Möglichkeiten, sie zu lösen, denn wir sind uns gegenüber grundsätzlich eher wohlwollend eingestellt. Auch das Moderatoren-Team ist hilfreich.“
Gemeinschaftsräume
Ein zentraler Baustein für ein gemeinschaftliches Wohnprojekt sind Gemeinschaftsräume oder gemeinschaftliche genutzte Gegenstände. Die Möglichkeiten, die sich durch diese Zusatzflächen ergeben, beleben die Nachbarschaft und schaffen Begegnungsräume. Brigitte Seidl berichtet von ihrem Gemeinschaftsraum „Eiskaffee“. Gemütlich eingerichtet ist der Treffpunkt, wo sie mit „ihren Mädels“ aus der Nachbarschaft ratscht. Eva Kreling liebt den Leseraum in ihrem Projekt. Finanziert werden diese Räume über die Nebenkosten, die Einnahmen speisen in den meisten Fällen die Hauskasse. Hieraus werden wiederum Budgets für die Arbeitsgruppen bereitgestellt.
Ratschläge für gemeinschaftliches Wohnen
Eines ist für alle Beteiligten klar: „Man muss Lust haben auf dieses Konzept, welches sehr gemeinschaftlich ist“. Man sollte Lust haben, mit den Menschen, die man trifft, auch mal zu ratschen. Man sollte generell die Bereitschaft haben, gemeinsam mit anderen etwas zu machen. Martina Kallasch empfiehlt, man solle sich rechtzeitig um seine Wohnsituation kümmern. In eine ähnliche Richtung geht auch der Ratschlag von Alfred Bergmiller von der Seniorenhausgemeinschaft. „Entscheidend finde ich für Menschen, die so viel gelebt haben, frühzeitig solche Projekte anzugehen.“ Die Mitglieder seiner Gruppe haben mit Anfang 60 oder teilweise noch früher angefangen gemeinschaftliches Wohnen im Alter zu durchdenken und zu planen.
Auf die Frage einer Zuhöher:in, ob es auch Menschen gibt, die wieder ausziehen, weil sie sich mit der Gemeinschaft schwertun, gibt es die ermutigende Antwort, dass es kaum Wohnungswechsel in den Projekten gibt.